Fährt man von Auckland aus westlich, trifft man irgendwann auf die Tasmanische See. Dort liegt in einem Tal an der Küste versteckt und mit nur einer Zufahrtsstraße das Dorf Piha. Ein Ort der verschieden ist zu jedem anderen Ort in Neuseeland. Piha ist wie ein kleines Paradies mit Meerblick und hohen Grundstückspreisen.
Ich glaube, Piha ist der schönste Ort den ich je gesehen habe, auch wenn ich das sonst nicht so oft sage. Und ich habe auch etwas gebraucht um herauszufinden warum. Denn das Dorf hat viele Gemeinsamkeiten mit anderen schönen Orten auf der ganzen Welt.
Ich fange dort an zu erzählen, wo ich mit meinen Reiseerzählungen in “Fliegen” aufgehört habe.
Den Eintrag kann man hier finden:
Sekundenschlaf
Der erste Tag in Neuseeland war für mich vor allem von der Müdigkeit der letzten beiden wach verbrachten Nächte übertönt, weswegen sich mein erster Eindruck, von dem ich in einem anderen Eintrag erzählen werde wohl auch in Grenzen hält.
Nachdem wir in Auckland gelandet und erfolgreich eingereist waren, mussten wir erst noch ein bisschen Zeit am Airport verbringen und auf andere Leute aus unserer Gruppe warten.
Wir wurden von Marina begrüßt, die unsere Ansprechpartnerin und Veranstalterin der Welcome-Days ist. Nach einer fast unendlich vorkommenden Wartezeit am Flughafen von Auckland, der trotz seiner Größe eher wie ein Provinzflughafen wirkt, konnten wir dann das erste mal nach draußen gehen.
In Neuseeland ist natürlich in der deutschen Winterzeit Sommer, dadurch war es auch entsprechend warm. Wenn man von einen auf den anderen Tag die Jahreszeit wechselt, kann das nach meiner Erfahrung recht anstrengend sein.
Bevor wir nach Piha fuhren, stand erst einmal eine Bustour durch Auckland an und ein zweistündiger Aufenthalt in Mission Bay, einem Strand in Auckland.
Unter anderen Umständen hätte mir ein Besuch am Strand wahrscheinlich gefallen, aber übermüdet und gerade erst in einem anderen Land mit anderer Sprache und anderem Geld angekommen, war der Besuch eher nicht so schön. Zumindest konnte ich aber mit den anderen aus meiner Gruppe im Schatten sitzen und ein bisschen reden.
Mich hat überrascht, dass ich nicht der Jüngste aus unserer Gruppe war, sondern eher einer der Älteren. Denn viele gehen in der 10. Klasse ins Ausland und sind dann erst 15 Jahre alt.
Die Fahrt von Auckland nach Piha war dann nur noch eine Qual. Denn Auckland ist ziemlich weitläufig gebaut und so brauchten wir über eine Stunde nach Piha. Und mein Kreislauf hatte sich im weichen Bussitz noch weiter heruntergefahren als eh schon, was dazu führte, dass ich alle 10 Sekunden in einen kurzen Schlaf fiel, aus dem ich sofort wieder aufwachte. Egal was ich tat, ich konnte es nicht aufhalten, denn all meine Kraft musste ich dafür aufbringen meine Augen wieder zu öffnen und nicht einzuschlafen.
Beverly Hills
Und dann kamen wir in Piha an. Die einzige Zufahrtsstraße führt über die Piha umgebenden Hügel, wodurch man einen atemberaubenden Blick von Weitem auf den Strand bekommt.
Man kann leise das in Piha allgegenwärtige Meeresrauschen hören und sieht fast nur den tropischen Wald, bis auf die Häuser, die am Hang gebaut stehen und ab und zu durch die Blätter schauen. Das kann man sich so vorstellen wie die Beverly Hills, direkt am Meer gelegen und deutlich weniger dicht besiedelt.
Nachdem wir von einem Felsvorsprung aus ein paar gute Fotos gemacht hatten fuhren wir nach unten ins Tal um unsere Häuser zu beziehen. Da ich überhaupt keine Ahnung hatte, wie unsere Unterkunft aussah, war ich überrascht zu hören, dass es ganze 2 Häuser ganz für uns alleine gab. Das eine, größere Haus war die Unterkunft der Mädchen und hatte einen großen Raum als Treffpunkt, sowie viel Platz zum Essen. Außerdem gab es einen großen Garten. Das Haus der Jungs war zwar etwas kleiner, dafür aber von innen komplett renoviert und hatte einen Blick aufs Meer.
Die Natur ist in Piha immer hinter der nächsten Tür oder näher. Unser Haus stand umgeben von Bush (das ist der Neuseeländische Name für Wald) an einem Hang. Dahinter ging es direkt in den tropischen Wald. Etwas komisch war es zu duschen, denn unsere Dusche war nur mit einer riesigen Glasplatte vom Raum abgetrennt. Und der hatte keine Rollos, die die Sicht von draußen versperrten. So konnte man von außen wohl ohne Mühe reinschauen, doch da war ja zum Glück nur Wald. Das Duscherlebnis war trotzdem toll, denn manchmal geht Design einfach über Nutzen. 🙂
Das Beispiel mit Beverly Hills stimmt jedoch mit einem Punkt nicht überein. Die Grundstückspreise in Piha sind wahrscheinlich astronomisch, trotzdem wird nicht jeder Zentimeter zugebaut und es gibt auch keine riesigen Protzvillen wie in Beverly Hills. Unsere Nachbarn schienen ihr Haus zum Beispiel selbst zu bauen und während dieser Zeit in einem Campingwagen zu wohnen. Das geht auch ganz gut, denn die Häuser (wie fast alle Häuser in Neuseeland) sind aus Holz gebaut.
Mücken
Der langersehnte Schlaf kam dann auch recht schnell nachdem wir angekommen waren. Unser Jungs Haus hatte 4 Schlafzimmer und 10 Betten, von denen allerdings nicht alle besetzt waren. Ich schlief in einem 4 Bett Zimmer. Nach 48 Stunden ohne Schlaf sehnt man sich nach nichts weiter als einem ruhigen Schlaf in einem vernünftigen Bett. Dadurch, dass ich garnicht geschlafen hatte, konnte ich mich allerdings gleich an den neuseeländischen Rhythmus gewöhnen.
Doch an Schlaf war nicht zu denken. Wir hatten zu viel Vertrauen in den Fakt, dass es in Neuseeland keine gefährlichen Tiere gibt. Deswegen ließen wir unser Fenster über Nacht auf und schon nach kurzer Zeit war der ganze Raum mit Mücken gefüllt. Und ich meine nicht 10 Mücken. Es waren wohl ungefähr 50 Mücken. Man hätte sie jedenfalls unmöglich zählen können. So war die erste Nacht in Neuseeland für alle aus unserem Zimmer recht schlaflos und schmerzhaft. Ich bin mit etwa 10 Mückenstichen noch ganz gut weggekommen. Ein anderer aus unserem Zimmer hatte ungefähr so viele Stiche wie Mücken im Zimmer waren.
Die Mücken bekamen wir zum Glück ganz einfach mit einem Spray aus dem Zimmer heraus, das alle Mücken innerhalb von 10 Minuten tötet. Das ist mit Sicherheit nicht sehr gesund, hat uns jedoch am Ende wahrscheinlich 2 Stunden Mücken klatschen erspart.
Abgesehen davon konnten wir am zweiten Tag die wahre Schönheit Pihas erleben. Denn wir konnten für $80 (Das sind ungefähr 48€) an einem Surfkurs teilnehmen. Die Wellen haben das kleine Dorf bekannt gemacht, denn sie sind mit die besten Wellen zum Surfen in Neuseeland.
Ich nahm nicht teil, da ich erst einmal meinen Jetlag loswerden wollte. Das gab mir aber die Gelegenheit, atemberaubende Fotos von der Gruppe und der Landschaft Pihas zu machen. Während sich die anderen in den Wellen abkämpften stieg ich eine nahe Klippe hoch und konnte so alles von oben beobachten. Das geht in Piha übrigens barfuß, denn es gibt keine dornigen Pflanzen oder spitzen Steine.
Oben hat man einen Blick auf ganz Piha und den Löwenfelsen, der das Wahrzeichen des Dorfes ist. Für manche Fotos musste ich allerdings auf die kleine Mauer klettern, die die Platform vom Abgrund trennte. Das war im Wind vielleicht etwas gefährlich, hat sich aber am Ende auf jeden Fall gelohnt. (Sorry Mama)
Von Oben kann man noch besser den Unterschied Pihas zu Auckland sehen, das nur etwa eine Stunde entfernt liegt. Die Landschaften sind komplett verschieden, da Piha kaum vom Menschen verändert wurde. Man sieht nur ein paar vereinzelte Straßen, die an den wenigen Häusern vorbeilaufen. Der Rest ist sichtbar unverändert.
Der Surfkurs ist übrigens für die meisten recht gut gelaufen. Die meisten haben es geschafft mehrere Sekunden auf dem Board in den Wellen stehenzubleiben.
Weißbrot
Am Nachmittag gingen wir in den Bush, der Piha umgibt, um die Kitekite Falls zu sehen. Das ist ein Wasserfall mit einem kleinen See darunter, in dem man auch baden kann. Um ihn zu finden braucht man nur zum Ende einer der Straßen von Piha gehen und dem Wanderweg folgen. Das dauert, wenn man schnell geht, weniger als 20 Minuten. Der Kontrast zum Strand von Piha mit seinem dunklen Sand ist riesig, denn der Wasserfall ist komplett von Palmen und Büschen umgeben.
Dort im Wald gibt es zwar nichts anderes zu sehen als den Wasserfall und eine Menge Kauri Bäume, trotzdem kann man sich super gut auf die Steine setzten und einfach dem Rauschen des Wassers zuhören.
Wenn man also mal genug vom Strand hat muss man einfach nur in die andere Richtung gehen. Das finde ich einen riesigen Vorteil an Piha. Denn die Menge an Freiraum sorgt dafür dass man mehr draußen ist und die Natur richtig genießen kann.
In den drei Tagen der Welcome Days wurden wir auch ein bisschen auf das neuseeländische Essen vorbereitet. Wir hatten eine Köchin, die uns drei mal am Tag mit Mahlzeiten versorgte und uns ein paar neuseeländische Gerichte zeigte. Das bedeutete vor allem eins: Weißbrot. Das meiste Essen sowie die Marken sind in Neuseeland sind stark am britischen Essen orientiert. Ansonsten gibt es ziemlich das gleiche. Denn die bekanntesten Lebensmittel werden natürlich importiert.
Nur das Brot ist gewöhnungsbedürftig. Weißbrot macht einfach nicht satt, aber das ist ein Thema für wann anders.
Sky Tower
Nach einer deutlich erholsameren Nacht fuhren wir am zweiten Tag nach Auckland Downtown, um ein bisschen die Stadt kennenzulernen. Das war wohlgemerkt der erste nähere Kontakt mit der Millionenstadt Auckland, den ich bis dahin hatte. Als Erstes stand ein Besuch auf dem Sky Tower an, dem höchsten Gebäude in Auckland. Der Turm bietet einen 360 Grad Blick auf die Stadt, man kann herunterspringen und für die, die sich das nicht trauen gibt es ein Glasfenster im Boden, auf dem man stehen kann. Auch wenn das Schild sagt das Glas sei stärker als der Beton, der es umgibt wird einem ein bisschen komisch beim herunterblicken.
Natürlich hatte ich die Gelegenheit, ein paar Fotos von Auckland von oben zu machen, die man in dieser Galerie hier findet.
Nachdem wir vom Sky Tower wieder runter waren hatten wir ein bisschen Zeit in Downtown. Alle Eindrücke die ich dort bekam sind wohl schwer unterzubringen aber sie waren ziemlich überwältigend. Wenn ich bis jetzt – nach einem Monat – einen Kulturschock gespürt habe, dann war es an diesem Mittag.
Man steht plötzlich in der Mitte von Hochhäusern in einer Einkaufsstraße mit tausenden von Läden und weiß nicht so recht was man machen soll. Eigentlich will man sich alles anschauen, doch in die einzelnen Läden reingehen will man dann doch nicht. Obwohl es alles gibt: Vom Kiosk über Technikläden bis hin zu einem streng bewachten Gucci Geschäft. Am Ende gingen wir mit unserer Gruppe in einen Vodafone-Laden, weil ein paar von uns noch eine SIM-Karte brauchten. Danach hatten wir Mittag in einer neuseeländischen Fastfood Kette, die ein bisschen wie Jim-Block ist.
Der Unterschied zwischen Piha und Downtown-Auckland ist gewaltig und ich habe mich gefragt, wieso ich das abgelegene Stranddorf der Großstadt vorziehe. Normalerweise bin ich ein kompletter Stadtmensch und würde niemals auf dem Land wohnen wollen, doch in diesem Fall war es genau anders herum. Nun, auf die Antwort bin ich erst etwas später gekommen.
Nachdem wir etwas von der Stadt gesehen hatten, fuhren wir auch schon wieder zurück nach Piha.
Am Nachmittag blieb ein bisschen Zeit, um noch ein bisschen mit den anderen zur reden. Denn am nächsten Tag war schon die Verabschiedung von Piha und der nächste Schritt begann: Das Leben in der Gastfamilie. In unserer Gruppe waren ein paar echt nette Leute, mit denen ich auch teilweise noch Kontakt habe. Von uns Jungs kamen zwei aus Berlin, einer aus Bremen, einer aus Bonn und einer aus der Schweiz.
Kapitel 2
Es fiel mir schwer unser Haus in Piha am nächsten Morgen zu verlassen. Einerseits weil ich nicht wusste was in den nächsten Stunden auf mich zukommen würde, andererseits weil ich die einzigartige Atmosphäre noch weiter genießen wollte.
Doch weil ich die ganze Zeit nur von Piha schwärme, will ich auch ein bisschen von den Nachteilen von Piha berichten. Wie bereits schon gesagt braucht man eine Stunde, um mit dem Auto nach Auckland zu fahren. Das ist zwar nicht so viel für ein Wochenend-Trip, Auckland ist jedoch der Platz wo man wahrscheinlich arbeitet, wenn man in Piha lebt. Das macht natürlich abhängig von einem Auto. Das ist für Neuseeland allerdings nichts Besonderes. Die Einsamkeit ist auch für Notfälle nicht besonders gut. Ein Krankenwagen braucht bestimmt mehr als 20 Minuten, um vom nächsten Krankenhaus aus Piha zu erreichen. Man wird dann wahrscheinlich mit dem Helikopter abgeholt. Obwohl die Grundstückspreise mit Sicherheit extrem hoch sind, braucht man unter jedem Haus einen Wassertank für Trinkwasser. Unser eines Haus hatte sogar zwei. Außerdem gibt es keine Bürgersteige in Piha. Das ist für die wenigen Wege, die man zu Fuß geht, extrem gefährlich, denn man muss auf der Straße laufen und in jeder Kurve auf Autos aufpassen. Am Ende ist man nicht nur Autos hilflos ausgesetzt, sondern auch der Natur. Denn in Piha kann es zu Überschwemmungen kommen, die die Häuser nahe am Meer schon komplett unter Wasser setzen könnten.
Trotz alle dem habe ich mich, seitdem ich Piha verlassen habe, mehrmals danach gesehnt, zurückzukehren.
Das Geheimnis, das das Dorf für mich hat klingt vielleicht einfacher als es ist. Und zwar macht alles, was ich jetzt über Piha erzählt habe den Ort zu einem schönen Platz zum leben, doch Piha ist mehr. Denn dort gibt es alles das, was es an anderen touristischen Orten gibt nicht. Piha hat einfach keine wirklich schlechten Dinge. Keine Betonflächen, Abgase oder Fastfood Restaurants. Keine Tourismus-Zentren und auch keine Selfie-Jäger.
Dazu kommt ein persönlicher Grund, den ich sehr wichtig finde und der mir an der Stadt fehlt. Man kann wirklich alleine sein. Man muss nur 50 Meter in irgendeine Richtung gehen und ist komplett alleine. Vielleicht ist das für Andere komplett unwichtig, ich fände es jedoch am Stadtleben manchmal ganz schön.
Aus all diesen Gründen ist Piha ein Ort, der eine einzigartig freundliche Umgebung hat und sicher nie langweilig wird.
Unser Piha Abenteuer ging damit zu Ende, dass wir uns am Flughafen trennten. Denn jeder von uns wohnt nun in einem anderen Teil von Neuseeland, einige mussten sogar ein weiteres mal fliegen. Ich zum Glück nicht und so konnte ich meine Gastfamilie direkt treffen…
Christian